Was geschah während der Zeit des Nationalsozialismus im Konzentrationslager Buchenwald und warum kann die Lebensgeschichte Blanka Pudlers helfen, die Grausamkeit des NS-Regimes zu erkennen? – Antwort auf diese Fragen erhielten die Schülerinnen und Schüler der Abschluss-Klassen in der vergangenen Woche. Sie besuchten im Rahmen einer eintägigen Exkursion die Gedenkstätte Buchenwald nahe der Stadt Weimar und hatten zwei Tage später die Gelegenheit,  Dr. Dieter Vaupel, dem ehemaligen Schulleiter der Drei-Burgen-Schule, im Rahmen einer Lesung zuzuhören und mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er las aus seinem neuen Buch „Auf einem fremden unbewohnbaren Planeten“ und stellte die Lebensgeschichte Blanka Pudlers vor, geboren 1929 in der heutigen Ukraine, die mit 15 Jahren Auschwitz und die Zwangsarbeit in der Hirschhagener Sprengstofffabrik überlebte.

Blanka Pudler als Schulkind

Über die Zeit des Nationalsozialismus und den Holocaust gibt es unzählige Bücher – Sachliches, Emotionales, allgemeine Darstellungen, Dokumentensammlungen. Trotzdem ist es für viele Jugendliche schwer zu verstehen, was damals passiert ist. Durch den Besuch in Buchenwald und die sehr anschaulichen Schilderungen Dr. Vaupels  war es möglich, die eher distanzierte Haltung vieler Schülerinnen und Schüler aufzubrechen und zu zeigen, dass es auch heute, viele Jahre nach dem Nationalsozialismus, wichtig ist, darüber Bescheid zu wissen, was damals passiert ist. Denn nur so lässt sich verhindern, dass sich das diskriminierende, rassistische Gedankengut dieser Zeit wieder in den Köpfen einiger Menschen festsetzen kann.

Dieter Vaupel hat sich entschieden, in seinem Buch eine ganz persönliche Geschichte herauszubringen: die Geschichte von Blanka Pudler, eine der wenigen Überlebenden des Holocaust. „Ihre Geschichte ist eine ganz besondere“, sagte Dieter Vaupel. Er hatte Blanka Pudler in den1980er Jahren im Rahmen von Recherchen zur Hirschagener Munitionsfabrik  kennengelernt, sie immer wieder getroffen und ihre Erzählungen mehrmals bei Veranstaltungen mit Schülern gehört. Vor mehreren Jahren begann er gemeinsam mit ihr, ihre Erlebnisse aufzuschreiben. Am 14. September 2017 starb Blanka Pudler mit 88 Jahren in Budapest und Dieter Vaupel entschied sich, das Buch in ihrem Sinne fertigzustellen. Das schilderte er in seinen einführenden Worten.

Zunächst berichtete Dieter Vaupel aus der Kindheit Blanka Pudlers, die mit zwei weiteren Geschwistern eher ärmlich aufwächst. Nach der Gefangennahme durch die Nationalsozialisten und den Transport in Viehwaggons nach Auschwitz wird die Familie auseinandergerissen.

„Warum lügst du?“ heißt das erste Kapitel des Buches. Es beschreibt, wie Blanka Pudler kurz vor ihrem 15. Geburtstag in Auschwitz von einer SS-Frau vor dem sicheren Tod gerettet wird: Alle Mädchen, die jünger als 16 sind, dürfen zu ihrer Mutter. Blanka meldet sich, doch die Blockälteste wirft ihr vor, zu lügen. Das rettet Blanka das Leben, denn alle anderen werden in die Gaskammer getrieben und sterben dort. Erst viel später erkennt Blanka diese Rettung und damit auch, dass selbst an diesem unmenschlichen Ort Auschwitz Mitgefühl, Mitleid zu finden ist.

Die Jugendlichen waren beim Hören der Geschichte von Blanka Pudler sehr betroffen, da allen bewusst wurde, was sie im gleichen Alter der Schülerinnen und Schüler durchmachen musste.  Dank der sehr plastischen Darstellung Dieter Vaupels waren die Schülerinnen und Schüler gedanklich ganz nah bei Blanka und ihrer Schwester Aranka, die nach einigen Monaten von Auschwitz nach Hirschhagen verlegt werden, um dort bis zum Kriegsende in der Waffenfabrik unter erbärmlichsten Bedingungen zu schuften  – Man sah die Mädchen förmlich auf dem Boden liegen, erschöpft von der Zwangsarbeit in Hessisch Lichtenau, und wollte den Arm ausstrecken, um ihnen irgendwie zu helfen. Dass das alles ganz in unserer Nähe passiert ist, wurde einem bewusst, wenn man Blanka Pudlers Beschreibung der Fachwerkhäuser in Hessisch Lichtenau hörte.

Nach dem Krieg lebte Blanka mit ihrer Schwester Aranka in Budapest. 1950 heiratete sie, 1952 wurde die Tochter Agnes geboren. Es ist zu vermuten, dass der dunkle Schatten der Erlebnisse nie aus ihrem Leben verschwunden ist. Dennoch war Blanka Pudler nie von Abneigung oder Hass auf Deutschland erfüllt – im Gegenteil. Mit aller Kraft kämpfte sie dafür, durch ihre Schilderungen vor allem junge Menschen zu bewegen, für Toleranz, gegenseitige Achtung und Akzeptanz und Offenheit einzutreten. Ganz im Sinne Blanka Pudlers tut dies nun Dieter Vaupel mit seinem Buch

Das Schicksal  Millionen verfolgter und getöteter Juden bekommt mit Blanka Pudler ein Gesicht – und bewegt dadurch mehr als jede Zahl.

Dr. Vaupel liest aus seinem Buch vor den Schülerinnen und Schülern der Abgangsklassen.